Dx Profx und die Sprache
[NLZ 2015-02-14] Gottlieb F. Höpli (71) ist ein Schweizer Journalist. Von 1994 bis 2009 war er Chefredaktor des «St. Galler Tagblatts».
Kein Fasnachtsscherz: Unser Titel entspricht den Vorschlägen für «feministisches Sprachhandeln», das vom Lehrstuhl für Gender Studies und Sprachanalysen an der Berliner Humboldt-Universität entwickelt wurde. Damit wollen sie die Zweiteilung der Sprache in Männliches und Weibliches abschaffen.
Lann Hornscheidt, der/die/das den Berliner Lehrstuhl innehat und sich keinem Geschlecht zuordnen möchte, will mit der vorgeschlagenen Schreibweise (ein x oder auch ein Sternchen anstelle der Wortendung, die das Geschlecht bezeichnet) nicht nur die Diskriminierung des Weiblichen in der Sprache bekämpfen. Er/sie/es will auch der Diskriminierung von Menschen, die sich weder dem einen noch dem anderen Geschlecht zugehörig fühlen, ein Ende setzen. Profx Hornscheidt will mit dem in ihrem/seinem Institut entwickelten 54-seitigen Leitfaden die «Zwei-Genderung» der Sprache aufheben, die der Vielfalt der Gender-Formen längst nicht mehr gerecht werde.
Inzwischen hat es dieses «antidiskriminierende Sprachhandeln» schon bis an die Universität Zürich gebracht. Die Germanistenzeitschrift «Denkbilder» plädiert für Sternchen anstelle von erkennbaren Geschlechterbezeichnungen: «D* Layout* ist dir dankbar», schreibt die Redaktion, wenn sich d* Autor** (Plural) an den Berliner Leitfaden halten. Vom oft philologisch-abstrakten Fachjargon zur antidiskriminierenden Sprache mag der Weg ja tatsächlich nicht mehr weit sein. Von der Verständlichkeit für den Leser (die Leserin, und alle anderen) bewegt man sich allerdings noch einen Schritt weiter weg.
Nun will ja niemand ernsthaft bestreiten, dass es Menschen gibt, die sich in ihrer Haut als Mann oder Frau nicht wohl fühlen. Aber dass man dafür die Sprache mit künstlichen Formeln foltern, die ganze Leserschaft vor den Kopf stossen soll, das hätte ich als gelernter Germanist gerade von Sprachwissenschaftlern nicht erwartet. Man müsste die Autoren, die derlei sprachliche Folterwerkzeuge anwenden, damit bestrafen, dass sie ihre Texte vor Publikum laut vorlesen müssten.
Man mag solche Entwicklungen für Auswüchse halten, wie sie im akademischen Leben nun einmal vorkommen. Doch dahinter steht ein durchaus ernstes Problem, das sich nicht auf Sternchen und x- Schreibung beschränkt. Es ist die Tendenz, in der schriftlichen Kommunikation fast nur noch an das Schreiben, das heisst an sich selbst und nicht mehr an den Adressaten zu denken. Das beginnt schon in der Primarschule, wo die Kinder ohne alle Regeln schreiben lernen – Rechtschreibregeln sind ja, so die moderne Pädagogik, demotivierend und haben zudem einen autoritären Beigeschmack. Ein paar Regeln kann man später ja immer noch vermitteln. Wenn gerade die lernbegierigsten Kinder nicht verstehen, weshalb plötzlich fast alles falsch sein soll, was sie geschrieben haben – was macht das schon? Begabtenförderung hatte hierzulande noch nie Priorität.
Wichtig ist also die Person des Schreibenden, nicht jene des Lesenden! Das ist die Devise der narzisstischen «Generation Selfie», der unsere Lehrpläne untertänigst folgen. Dass man so schreibt, dass es der Empfänger möglichst leicht versteht, das gehört ja schon fast zu den verpönten Sekundärtugenden wie Pünktlichkeit, Disziplin und Höflichkeit. Dass sich diese Haltung nicht auf die schriftliche Kommunikation beschränkt, kann jeder beobachten, der ein öffentliches Verkehrsmittel benützt oder über einen abfallübersäten Platz spaziert, auf dem eine Party stattgefunden hat.
Da wäre mir eine handfeste politische Diskussion über das zum Megatrend aufgeblasene Transgender- Problem noch lieber, statt dass unter dem Deckmantel antidiskriminierender Korrektheit die Sprache malträtiert wird. Dann könnten wir uns endlich auch einmal nicht nur über Frauen-, sondern auch über Transgender-Quoten unterhalten.
Es ist noch nicht ausgestanden: Orwell an den Unis
Leserbrief von Jürgen Hübner, D-Hamburg [NZZ 2018-02-14]
Man und frau traut seinen beziehungsweise ihren Augen nicht, wenn sie lesen, welche Absurditäten sich in der Sprachpflege unserer Hochschulen abspielen («Gendern in aller Herrlichkeit», NZZ 7. 2. 18). Die gendergetriebene Neusprache ist dabei, die Macht über unsere so vielfältige Muttersprache (warum eigentlich nicht Elternsprache?) zu ergreifen. Das Wörterbuch der Neusprache kommt im Gewand der Sprachleitfäden daher, quasi als Vorabdruck der 11. Auflage des Wörterbuchs der Neusprache, zu der uns schon vor Jahrzehnten Folgendes versprochen wurde: «Wir geben der Neusprache ihren letzten Schliff – wir geben ihr die Form, die sie haben wird, wenn niemand mehr anders spricht . . . Wir merzen jeden Tag Worte aus – massenhaft, zu Hunderten. Wir vereinfachen die Sprache auf ihr nacktes Gerüst» (George Orwell: «1984»). «Herkömmliche und einschränkende Gewohnheiten und Bilder . . . in den Köpfen und im universitären Alltag», so das Vorwort zu den Empfehlungen der Universität Bern für eine geschlechtergerechte Sprache, gilt es «im Interesse der Chancengleichheit von Frauen und Männern» zu beseitigen. «Wo es nicht auf die Sichtbarmachung von Geschlecht ankommt, können Benennungen gewählt werden, die das Geschlecht neutralisieren, von ihm abstrahieren oder geschlechtsbezogen eine ‹Veruneindeutigung› erreichen» (Empfehlungen Universität Bern). Das führt direkt zu der Aussage, «dass die Neusprache kein anderes Ziel hat, als die Reichweite des Gedankens zu verkürzen. Zum Schluss werden wir Gedankenverbrechen buchstäblich unmöglich gemacht haben, da es keine Worte mehr gibt, in denen man sie ausdrücken könnte» (Orwell: «1984»). Es soll nicht bestritten werden, dass gute Gründe für ein Abrücken von dem Gebrauch nur maskuliner Begriffe in Dokumenten des Staates und der Wirtschaft bestehen. Wir sind jedoch dabei, weit über ein derartiges durchaus zeitgemässes Ziel hinauszuschiessen und mittels Errichtung sprachlicher Tabus eine gendergetriebene Sprach- und Rechtschreibdiktatur anzusteuern.