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Kritik am Kauderwelsch der Verwaltung

[Jürg Rohrer, Tagesanzeiger 2007-11-30]

Weniger Englisch haben die Schweizer Demokraten im Gemeinderat verlangt. Ihr Postulat hatte keine Chance, doch kritisierten auch andere das Sprachgebaren der Stadt.

«Ticketeria» und «Shop-Ville» sind für Patrick Blöchlinger Beispiele, wie die Stadt [Zürich] bei der gängigen Sprachverhunzung mitmacht. Unter dem Einfluss der Werbung würden die Leute «fooden» sagen statt essen und die einheimische Sprache verlernen. Damit aber verlieren wir unser «kulturelles Selbstwertgefühl», meint der kaufmännische Angestellte, der für die SD 11 im Gemeinderat sitzt.

Zusammen mit Ueli Brasser reichte er ein Postulat ein, das den Stadtrat auffordert, bei Werbung auf öffentlichem Grund und bei öffentlichen Dienstleistungen Fremdsprachen zu verbieten oder zumindest einzuschränken. Das Postulat ist am Mittwochabend im Gemeinderat behandelt worden und jämmerlich gescheitert: 108:2 - nur gerade die beiden Schweizer Demokraten stimmten sich selber zu.

Sprache sei etwas Lebendiges, Wandelbares, wurde von allen Seiten eingewandt, sie gehöre nicht hinter Blumentöpfe (Bruno Sidler, SVP). Werbung sei ein kreatives Gewerbe, sagte Stadträtin Kathrin Martelli (FDP). Und Dominique Feuillet (SP), als Walliser in Zürich besonders sensibel für Fremdsprachen, rechnete den Schweizer Demokraten vor, dass sie sich in konsequenter Anwendung ihres Postulats umbenennen müssten: Denn das Wort «Demokratie» stamme aus dem Griechischen.

Dennoch erhielten die Schweizer Demokraten auch Unterstützung - und zwar von links. Peider Filli, der Trampilot von der Alternativen Liste und Ex-Stadtratskandidat, bekannte, dass ihn die sprachlichen Entgleisungen der Stadt ebenfalls ärgerten. Ganz besonders regt ihn das Personalamt auf, das sich in HR Stadt Zürich umbenannt hat. Was denn HR schon heisse, fragte Filli rhetorisch. «Hochrechnung?» Auch Rolf Kuhn (SP) lehnte das Postulat der SD ab - wegen der «unheimlichen kulturkämpferischen Motive». Dann aber sagte der Mittelschullehrer aus Höngg, dass er es problematisch finde, wie die Stadt mit abgelutschten Anglizismen Schwachsinn produziere: Das EWZ beispielsweise mit ihrem «Premium Water» und dem «Mixpower»; die VBZ mit ihrer «Traffic Media», die früher schlicht und verständlich Abteilung für Werbeflächenverkauf hiess.

Gemeinderat Kuhn ist der eigentliche Vater der parlamentarischen Sprachkritik. Schon vor vier Jahren 'hatte er ironisch beim Stadtrat angefragt, wie viel Englisch die städtischen Ämter denn noch verwenden wollten, um ja nicht den Anschein von Kleinheit und Provinzialität zu erwecken. Wobei er die Vermutung äusserte, die bereits erfolgten Umbenennungen seien nur ein Test, wie weit solche englischen Begriffe akzeptiert würden, und dass es noch viel schlimmer komme:

«Buscarrier» statt Busdepot, «Traffic Media» statt Werbeflächenverkauf, «Human Ressources Zürich» statt Städtisches Personalamt. Und dann Kuhns Befürchtungen: «Letziground» statt Letzigrund, «Greatminster» statt Grossmünster oder «Chancellor of the Exchequer (Cheque)» statt Finanzvorstand. Der Stadtrat versprach damals in seiner Antwort, er werde «der Pflege der deutschen Sprache seine Aufmerksamkeit schenken und englische Begriffe nur dort einsetzen, wo sie treffend sind oder sich bereits eingebürgert haben».

In der Zwischenzeit hat sich HR Stadt Zürich allerdings weiter zum «Human Resources Management» aufgeschwungen.

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 URL:  Created: 2007-11-30  Updated:
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