[Main topics] [Navigation]

Warum es anmaßend vom Duden ist, das generische Maskulinum abzuschaffen

Für den Duden ist der Mieter seit neuestem ausschließlich eine männliche Person. Wenngleich es berechtigte Kritik am generischen Maskulinum gibt, sollte das wichtigste Wörterbuch im deutschsprachigen Raum es nicht einfach abschaffen.

Von Finn Rütten, Der Stern

Ich möchte diesen Text mit einer Duden-Definition beginnen: generisch, adjektiv, Bedeutung: im allgemeingültigen Sinne [gebrauch], Beispiel: generisches Maskulinum (Verwendung der maskulinen Form für weibliche und männliche Personen). So kann man sagen: "Meine Lehrer halten mich für den besten Schüler der Klasse" und meint damit natürlich nicht, dass dort ausschließlich Männer Jungen unterrichten.

Der Duden will in seiner Online-Ausgabe nun von diesem gelebten Sprachkonzept abweichen. Ein Politiker sei nun eine "männliche Person, die ein politisches Amt ausübt", selbiges gelte bereits für den Arzt oder den Mieter. Alle 12.000 Personen- und Berufsbezeichnungen der Online-Datenbank sollen in dieser Art geändert werden, erfuhr die "Welt" auf Anfrage vom Verlag des Duden.

Natürlich gibt es berechtigte Kritik am generischen Maskulinum

Nun kann man das Konzept des generischen Maskulinums natürlich kritisieren. Zahlreiche Frauen etwa finden, es sei ungerecht und sie wollten nicht "nur mitgemeint" sein. Es ist ihr gutes Recht, dagegen aufzubegehren. Manche Studien wollen zudem herausgefunden haben, dass gendergerechtere Sprache auch etwas gegen tatsächlichen Sexismus in der Welt tun könnte. Auf der anderen Seite stehen Länder ohne das generische Maskulinum, zum Beispiel die englischsprachigen, nun in Sachen Sexismus zumeist auch nicht viel besser da als der Rest der Welt. Viele Menschen empfinden es zudem als übergriffig, wenn jemand ihnen vorschreiben will, wie sie sich auszudrücken haben.

Es gibt auf beiden Seiten sicher gute und weniger gute Argumente. Doch das ist gar nicht der Punkt. Um die Diskussion um gendergerechte Sprache geht es hier gar nicht im Kern. Denn das, was der Duden gerade macht, ist so oder so anmaßend und schlicht falsch. Es ist nicht die Aufgabe des Duden, Menschen sprachlich zu erziehen.

Der Duden beschreibt, wie wir sprechen, er bildet ab. Das zeigt er oft, wenn er Dinge als "umgangssprachlich" übernimmt, wenn sie nur lange genug von genügend Leuten falsch benutzt werden. So steht hinter "scheinbar" mittlerweile, es bedeute das gleiche wie "anscheinend". Dabei sind das zwei völlig unterschiedliche Dinge. "Anscheinend" bedeutet, dem Anschein nach, es könnte so sein, es könnte auch nicht so sein. "Scheinbar" aber legt sich ebenso wie das Wort "vermeintlich" fest, dass etwas nicht so ist, wie es scheint.

Das tut mir zwar beim Lesen weh, aber streng genommen macht der Duden damit, was er soll: Er beobachtet und hält fest, wie unsere Sprache sich verändert. Sie selbst zu verändern, ist sicher nicht seine Aufgabe.

Duden sollte nicht negieren, wie Menschen nun mal sprechen

Kurioserweise verteidigt Duden-Redaktionsleiterin Kathrin Kunkel-Razum das aktuelle Vorgehen mit dem Argument, man bilde nur ab, wie sich die Sprache verändert habe. Das generische Maskulinum werde zunehmend infrage gestellt und das sei inzwischen ein Massenphänomen. Man habe in der Vergangenheit viele kritische Zuschriften erhalten, in denen eine Gleichstellung der Geschlechter im Online-Duden gefordert wurde.

Das mag zum Teil stimmen. Allerdings rechtfertigt nichts davon, dass der Duden das generische Maskulinum faktisch abschafft. Gendergerechte Sprache ist zwar auch in vielen Medienhäusern und Ämtern angekommen, ein Massenphänomen im täglichen Sprachgebrauch ist sie mit Sicherheit nicht. Oder gendern Sie, wenn Sie mit Ihrem Partner am Frühstückstisch sprechen? Oder mit den Kollegen in der Mittagspause schnacken? Ich lehne mich aus dem Fenster und sage: Ein überwältigender Großteil der Menschen im deutschsprachigen Raum gendert mündlich nicht.

Und so ist es schlicht falsch, wenn im Duden steht, der "Wissenschaftler" sei eine "männliche Person, die über eine abgeschlossene Hochschulbildung verfügt und im Bereich der Wissenschaft tätig ist". Das ist er sicher auch, aber in der Absolutheit wie im Duden negiert das einen schlicht unumstößlichen Fakt: Das generische Maskulinum ist bei vielen von uns Teil der täglichen Sprache – ob man das nun gut findet oder nicht.

Zu denken gibt mir (Klaus Daube) auch dies:

Ob nach dem Online-Wörterbuch jetzt auch die Einträge im gedruckten Duden geändert werden, sei allerdings fraglich, sagt Kunkel-Razum. Immerhin brauche man für doppelt so viele Einträge auch doppelt so viele Seiten: „Hier stellt sich tatsächlich das Platzproblem.“ [https://www.deutschlandfunkkultur.de/online-duden-mit-gendersensibler-sprache-tschuess.1013.de.html?dram:article_id=490450]

[Main topics] [Navigation]
 URL:  Created:2021-01-13  Updated:
© NZZ und andere    
  Business of Docu + Design Daube Documentation issues Sharing information Klaus Daube's personal opinions Guests on this site Home of Docu + Design Daube To main page in this category To first page in series To previous page in series To next page in series To bottom of page To top of page Search this site Site map Mail to webmaster