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Rassistische Schaumküsse

Darf man heute noch «Mohrenkopf» sagen?
Ronnie Grob

Achtung! Achtung! Die Firma Dubler aus Waltenschwil im Aargau stellt mit Schokolade überzogenen Schaum-Zucker auf einer Waffel her und erdreistet sich, dieses Produkt auf der Website mohrenkopf.com unter dem Namen «Mohrenkopf» zu verkaufen. Da finden Sie nichts dabei? Das sollten Sie aber, findet ein «Komitee gegen rassistische Süssigkeiten» auf change.org, denn: «Mohrenkopf ist eine herabwürdigende Bezeichnung für den Kopf einer dunkelhäutigen Person.»

Im «Etymologischen Wörterbuch» von Kluge steht, dass «Mohr» auf «Maure, Nordwestafrikaner» zurückgehe. Das Komitee hingegen schreibt, dass Mohr «ganz eindeutig von Beginn weg eine rassistische Bezeichnung» gewesen sei. Muss nun für den Mohrenkopfpapagei (Poicephalus senegalus) ein neuer Name gefunden werden? Und gehört der Roman «Die Mohrin» von Lukas Hartmann aus dem Verkehr gezogen? (Und dürfen diverse Opern nicht mehr aufgeführt werden - einschliesslich Othello?)

Unterstützerin der bisher von über 500 Personen unterschriebenen Petition ist etwa die Gender-Forscherin Franziska Schutzbach (Universität Basel), unter anderem auch mit diesem Argument auf Facebook: «Wenn wir nicht bereit sind, Sprache zu dekolonisieren, werden auch weiterhin Geflüchtete ertrinken.» Wenn Sie das nicht wollen, entkolonialisieren Sie also besser Ihre Sprache gleich. Und essen Sie auch Ihren Teller leer, wenn Sie nicht für schlechtes Wetter oder den Hunger in Afrika verantwortlich sein wollen. Sie könnten aber auch Ihren Job verlieren, wenn Sie es nicht machen.

Kampfplatz Sprache

So wie jener Arbeitnehmer, dem das Arbeitsgericht Frankfurt am Main im Jahr 2016 stattgab, als er gegen seine Kündigung klagte. Ihm war vorgeworfen worden, «in der Kantine gegenüber einer aus Kamerun gebürtigen Kantinenmitarbeiterin einen Schokokuss als ‹Negerkuss› bestellt zu haben». Die Kündigung sei unverhältnismässig gewesen, schrieb das Gericht, schliesslich habe «das Arbeitsverhältnis mehr als zehn Jahre beanstandungsfrei bestanden». Auch die Aargauer Firma Dubler wird zu Unrecht solitär angeprangert. Dass sie sich dem Zeitgeist verweigert und den Produktnamen nicht leichtfertig in «Schaumküsse» (Migros, Lidl) oder «Choco-Köpfli» (Coop) abändern mag, überrascht nicht: Seit der Firmengründung 1946 ist nichts verändert worden, weder Name noch Rezept oder Schriftzug. In der Nachkriegszeit boomten die zuckerhaltigen Süssspeisen besonders. Auch die Firma Richterich aus Laufen im Baselland stellte zu dieser Zeit ihre ersten Mohrenköpfe her und verkauft sie noch heute unter diesem Namen. Die Chocolat Ammann aus dem bernischen Heimberg verkauft seit 1949 «Mohrenkönige» und «Mohrenprinzen», nennt sie aber «Choco-Köpfli».

Später erst, im Jahre 1981, wurde das Café Mohrenkopf im Zürcher Niederdorf gegründet. Müssen hier nun die Behörden einschreiten? Und was ist eigentlich mit den Österreichern? Die produzieren nicht nur den «Mohr im Hemd», sondern auch «Schwedenbomben» – ein zum Terror gegen Schweden aufrufendes Unwort, das nach einer sofortigen Einbestellung des österreichischen Botschafters in Stockholm ruft, denkt man sich. So ist es aber nicht: Ein schwedischer Freund der Familie Niemetz aus Wien, die Schwedenbomben seit 1926 verkauft, half bei der Entwicklung und wurde dafür so entlohnt – «als kleines Dankeschön für diese Unterstützung». Begriffe sterben dann, wenn sie niemand mehr gebraucht. Bedenklich hingegen ist, dass das Komitee «rassistisch» zu einem beliebigen Begriff abwertet und geradezu inflationär verwendet. Wenn gar Süssspeisen «rassistisch» sein können, dann ist jeder und jede, dann ist alles und nichts «rassistisch».

Verstand statt Verbot

Das ist kein Fortschritt im Kampf gegen den Rassismus, sondern ein Rückschritt. Erstens ändert Sprachkosmetik nichts an den realen Verhältnissen. Und zweitens besteht das Problem der Sprachpolizei ganz grundsätzlich darin, dass ihr Kampf für eine angeblich politisch korrekte Sprache nie ein Ende finden wird. Es werden sich immer neue Begriffe finden, von denen sich jemand verletzt fühlt oder von denen jemand glaubt, jemand könnte sich davon verletzt fühlen.

Der sprachliche Ausdruck bedarf des Verstands des Einzelnen, nicht des Verbots von Wörtern. Sonst erwartet uns eine genormte und gehemmte Sprache ohne individuelle Ausdrucksmöglichkeiten, in der sich nur noch das Juste- Milieu – selbstverständlich in grösster gegenseitiger Hochachtung – korrekt unterhalten kann.

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 URL:  Created: 2017-11-21  Updated:
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