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Die Leipziger Verhunzung

[Tagesanzeiger 2013-06-07] Martin Ebel

Die Universität Leipzig schreibt die weibliche Form vor

«Guten Tag, Herr Professorin» – diese Anrede wird man wohl auch an der Uni Leipzig nicht hören. Der Beschluss des erweiterten Senats der Uni, in Zukunft grundsätzlich die weibliche Form zu verwenden, gilt nur für die Grundordnung, ist nicht für den Schriftverkehr bindend und schon gar nicht für Vorträge, Doktor- oder Seminararbeiten.

So viel zur Entwarnung. Vielleicht ist der seltsame Beschluss des universitären Gremiums auch nur das paradoxe Ergebnis eines gerissenen Geduldsfadens: als sich die Diskussion über sprachgerechte Formulierungen endgültig verzettelte – Schrägstrich-Formen, das maskuline Generikum mit Sternchen oder Fussnote? schlug ein Physikprofessor vor, dann halt die weibliche Form verbindlich zu machen. Ob er die Sache damit ad absurdum führen wollte? Man weiss es nicht. Jedenfalls ging der Schuss nach hinten los, und die sprachfeminisierte Uni erhält plötzlich eine Aufmerksamkeit, die sie wohl lieber für Forschungsergebnisse oder Prüfungsstatistiken hatte. Denn der Beschluss gilt. Und das sächsische Kultusministerium als vorgesetzte Behörde hat schon durchblicken lassen, es werde nicht intervenieren.

Der Feminismus ist eine progressive Kraft, er hat unsere Gesellschaft gerechter und menschlicher gemacht. Und ja, Frauen haben es schwer, in Führungsgremien zu gelangen. Aber ihr Anteil dort steigt nicht, wenn man die Sprache verhunzt. Und nichts anderes findet hier statt: Weiblich markierte Formen für männliche Personen zu benutzen, ändert keinen stossenden Sprachgebrauch (und schon gar keine Benachteiligung), sondern verstösst gegen die Struktur der Sprache selbst. Schon die krampfhafte Suche nach «geschlechtergerechten» Formulierungen hat ja zu Verrenkungen à la «Studierende» (als ob die das immer taten), Dauer-Doppelformen oder Schrägstrich-Gestrüpp geführt. Dahinter steht eine Betroffenheitslinguistik, in der jede bestimmt, wann sie gemeint ist und wann nicht – und dies zur sprachlichen Vorschrift für alle macht. Die Leipziger Sprachverhunzung setzt dieser Tendenz die Krone auf. Mit ihr hat die feministische Linguistik aber einen Pyrrhussieg errungen: Er führt vom Gender-Bürokratismus direkt in die Lächerlichkeit.

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 URL:  Created: 2013-06-07  Updated:
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