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Politische korrektheit und die folgen in der sprache

Sprachliche Minenfelder
Wir bauen eine Schneeperson!
«Zehn kleine Negerlein» und die Folgen

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Werden Journalisten bald nur noch auf den Zehenspitzen gehen dürfen? Vom Deutschen Presserat ist zu erfahren, dass er in diesem Jahr den Joumalistenkodex mit einem Benachteiligungsverbot bereichern will. Grund. dafür sind Forderungen von Behindertenverbänden. Sie verweisen darauf, dass Behinderte vor allem durch oberflächliche Ausdrücke diskriminiert warden. Dazu gehöre etwa die Floskel «an den Rollstuhl gefesselt». Dadurch würden die Betroffenen «von eigenständig lebenden Personen zu bemitleidenswerten Geschöpfen degradiert» zitiert der Branchendienst EPD einen Verbandsfunktionar.

Sicher ist es wichtig, stets genau zu formulieren. Doch erinnert der Vorstoss an die salbungsvoll drohende Art von Gutmeinenden, welche Schwarze stets als schwarze Menschen odes Juden konsequent als jüdische Mitbürger and Mitmenschen bezeichnen. Wornit sie dem Publikurn stiilschweigend unterstellen, es zweifle daran, dass es sich um Menschen and Bürger handle. Der verbale Präventivschlag gegen Vorurteile'tragt letztlich dazu bei, diese wachzuhalten.

Diese neue Episode im Kampf um eine saubere Sprache kontrastiert. mit einem Konflikt, der sich letztes Jahr in England abspielte. Dort wollte der Sender Channel 4 gegen politisch unkorrekte Gesten der Gebärdensprache vorgehen. Doch dadurch erregte er ausgerechnet den Zom eines Behindertenverbands. Nach einem Bericht des «Sunday Telegraph» ging es um die Gesten, mit denen Juden and Minderheiten symbolisiert werden. Für die Homosexuellen war das offenbar ein Hüftschwung and für die Juden eine angedeutete Hakennase. Channel 4 wollte «modernere, weniger verletzende» Gesten einfiihren. So könnten die Juden mit:der Menora, dem siebenamrigen Leuchter, bezeichnet werden.. Die Behindertenvertreter wolten sich das nicht gefallen lassen. Channel 4 mische sich in die Kultur und das Gesellschaftsbild der Gehörlosen ein, erklärten sie. Das sei eine Form von Diskriminierung. Die Sprache ist in der Tat zum Minenfeld geworden. Vielleicht brauchen wir die Hilfe der Technokraten. Diese bezeichnen beispielsweise Zigeuner als Angehörige einer mobilen ethnischen Minderheit. Wer weiss, vielleicht entwickelt sich daraus die Poesie des dritten Jahrtausends.

[ras in der NZZ vom 2005-02-11]

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Fluglärm, Feinstaub and Vogelgrippe werden uns noch lange beschäftigen, doch das drängendste Problem ist jetzt beseitigt: Der Zürcher Verkehrsverbund (ZVV) ersetzt das diskriminierende Piktogramm, das Musizieren und Betteln in Trams und Bussen verbietet durch ein neutrales Sujet. Es war ja auch dicke Post: Der rot umrandete Kleber, mit dem der ZVV den Passagieren das Bettelverbot in Erinnernng rief, zeigte einen stilisierten Mexikaner in Poncho and Sombrero mit Gitarre vor dem Bauch. Feinfühlige Tramfahrer hatter die Darstellung als dlskriminierend gerügt, die mexikanische Botschaft rief zur Entfernung der Kleber auf, der ZVV gehorchte sofort, und das Gratisblatt «20 Minuten» widmete dem Thema am Mittwoch die Titelgeschichte.

Pictogramme des ZVV

Wir haben uns natürlich auch gefragt, ob dieser Kleber in Ordnung sei. Ich babe im Tram persönlich schon Peruaner, Bolivianer, Russen, Polen, Schweizer and Thurgauer gesehen, die musizierten und bettelten. Und ich fühlte mich selber in meiner Ehre verletzt, deenn auch ich kann Gitarre spielen, obwohl ich nie einen Sombrero trage. Darüber hinaus sind sämtliche Figuren, die in den Verbotskreisen unerwünschtes Verhalten wie Polsterverschmutzen und Sitzaufschlitzen demonstrieren, schwarz. Als ob es nur schwarze Raucher und Schwarzfahrer gäbe. Als sehr diskriminierend für Handwerker ­ die wie Dachdecker und Gärtner ­ nicht Schreiner sind, empfand ich überdies den Mann mit der Säge, der einen Sitz zerstört. Echte Vandalen könnten das auch mit Hammer und Sichel.

Der Mist mit der politischen Korrektheit ist also noch lange nicht geführt. Bisher gabs erst Teilsiege. Zwerge heissen jetzt Kleinwüchsige, die Globi-Bücher sind bereinigt, Mohrenköpfe heissen bei Migros Party-Kiss, und der Kasperli-Interpret Jörg Schneider hat seine CD von Schorsch Gaggo und dem Negerhäuptling Krambambuli in Afrika aus dem Angebot gestrichen, denn der Held heisst eigentlich Georgette Nestlé-Havelaar. Doch in erzieherisch bedeutenderen Bereichen wie den Schulbüchern sind uns die Amerikaner immer noch weit voraus. Dort haben studierte Sprachpolizisten eine Delfingeschichte aus einem Lehrmittel. gestrichen, weil sie Kinder ohne Meeranstoss, etwa jene im Mittleren Westen, benachteiligt. Und Aesops Fabel vom schlauen Fuchs, der die eitle Krähe dazu bringt, ihren Käse fallen zu lassen, war dem Vorurteilskomitee zu sexistisch. Ein Gut zum Druck gebe es nur, wenn eine Füchsin dem Kräherich den Käse abluchst.

Es gibt also noch viel zu tun. Ich habs kürzlich wieder gedacht, als sich auf einer Bergtour feministische Alpinistinnen über ein Steinmannli aufregten. Oder als ich Kinder sah, die einen Schneemann bauten. Immer sprachen sie von ihrem Schneemann, ohne an eine Schneefrau oder an die korrekte Schneeperson auch nur zu denken. Dass ein Schneemann auf jeden Andersfarbigen diskriminierend wirken muss, kam ihnen nicht einmal in den Sinn.

[Erwin Haas, Tagesanzeiger 2006-03-02]

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Politisch unkorrekter Sprache gegenüber ist man in den USA sehr empfindlich. Zwei Rechtsprofessoren plädieren für mehr Redefreiheit.

Keine amerikanische Zeitung wird die beiden Wörter drucken, keine Fernseh- oder Radiostation dulden, dass sie über den Äther gehen, und wer sie ausspricht, muss mit Strafe rechnen. Professoren, die in einem Seminar über anstössige Sprache sich getrauen, die Ausdrücke in den Mund zu nehmen, müssen damit rechnen, von Studenten verklagt zu werden und ihre Stelle zu verlieren, wie 1998 im Fall von Ken Hardy am Jefferson Community College in Louisville; Kentucky.

Der Kontext macht die Bedeutung

Das «f-word» und das «n-word» sind tabu im Amerikanischen. Es sind gerichtsnotorische Wörter, und so ist es kein Zufall, dass es zwei Rechtsprofessoren sind, die es wagten, den Stier bei den Hörnern zu packen: Mit seinem Buch «Nigger» hat der Harvard-Gelehrte Randall Kennedy vor drei Jahren für Aufruhr gesorgt, nun ist Christopher Fairman vom Moritz College of Law der Ohio State University mit einer Studie gefolgt, die gleich schlicht-provokativ betitelt ist: «Fuck». Man findet sie im Internet, demnächst soll sie in einer juristischen Fachzeitschrift gedruckt werden.

Beide Autoren haben gegen Widerstände darauf beharrt, dass der Titel ihrer Arbeiten stehen bleibt, weil sie die Zementierung des Tabus für falsch halten. Beide wussten ihren Mut aber auch geschützt. Randall Kennedy geniesst in der Sache als Schwarzer eine Freiheit, die einem Weissen nicht zugestanden würde, und Christopher Fairman ist mit dem Resultat seiner Forschungen erst an die Öffentlichkeit getreten, als er sich in einer unkündbaren Stellung wusste. Die zwei Arbeiten zeigen, dass die Geschichte dieser tabuisierten Wörter viel komplexer und widersprüchlicher ist, als dass ihr mit «Political Correctness» beizukommen wäre. Es kommt, vereinfacht gesagt, wie immer auf den Zusammenhang an.

Dass ein Wort wie «Nigger» erst gebräuchlich, dann verpönt und schliesslich tabuisiert war, spiegelt die Geschichte der Befreiung der Schwarzen von der Sklaverei bis zur Erlangung ihrer Bürgerrechte. Aus den «Ten Little Niggers», wie Agatha Christies Theaterstück 1939 noch hiess, wurden «Ten Little Indians», bis der Zeitgeist die nordamerikanischen Indianer zu «Native Americans» machte. «And Then There Were None», wie das Stück schliesslich betitelt wurde, deutet mit unfreiwilliger Ironie auf die Schwierigkeiten, die sich einhandelt, wer Sprachverbote durchsetzen will: Was bleibt übrig, wenn man mit der Säuberung erst einmal begonnen hat? An Anstrengungen, Klassiker wie Mark Twains «Huckleberry Finn» umzuschreiben oder gar zu verbieten, hat es nicht gefehlt, und dafür, dass das Wort «Nigger» nicht ausgestorben ist, haben nicht nur unverbesserliche Rassisten gesorgt, sondern auch selbstbewusste Schwarze. Randall Kennedy meint, die rassistische, Verwendung des Wortes sollte unterbleiben. Er will aber nicht einsehen, dass man in Kunst und Kultur Barrieren errichtet, die etwa schwarzen Rappern ein Vokabular erlauben, das ihren weissen Kollegen untersagt ist.

Der Fluch der alten Ägypter

Die Geschichte des «F-Wortes», das bisweilen unter der Tarnung «@$!%» in Erscheinung tritt, ist noch schillernder, kann es doch neben dem Geschlechtsakt alles mögliche bedeuten, vom simplen Fluch bis zum Steigerungswort. Die Etymologie ist unklar. Manche vermuten einen Ursprung im altägyptischen «petcha» für «kopulieren»; zur Zeit der letzten Dynastien war es im Nilreich üblich, juristische Schriftstücke mit der Verwünschung zu besiegeln, wer sie missachte, «solle von einem Esel gefickt werden». Die Kampagne, das «f-word» aus der englischen Sprache zu bannen, beginnt im späten 17. Jahrhundert; noch Allen Walker Read, der unter dem Titel «An Obscenity Symbol» 1934 einen Aufsatz darüber publizierte, tat dies, ohne den Ausdruck auch nur einmal zu nennen. Das Standardwerk von Jesse Sheidlower von 1999, das auf 272 Seiten alle möglichen Verwendungen des Wortes behandelt, unterschlägt es im Titel, der «The F-Word» heisst. Und erst in seiner Ausgabe von 1972 hat der massgebliche Oxford English Dictionary «fuck» in seine Spalten aufgenommen.

Was nicht heisst, dass das Wort verwendet werden dürfte. Zwar hat das Oberste Bundesgericht seinen Gebrauch im politischen Zusammenhang als Ausdruck der verfassungsrechtlich garantierten Rede- und Meinungsfreiheit geschützt. Doch die Federal Communications Commission (FCC), eine fünfköpfige Behörde, die über die Reinheit im Äther wacht, hat ihre eigene, wenn auch völlig inkonsistente Auffassung von der Sache. Während der Sänger Bono, der am Fernsehen seine Golden-Globe-Auszeichnung 2003 mit «fucking brilliant» kommentierte, damit die Sender in die Bredouille brachte, kam Tom Hanks mit «Saving Private Ryan» unbehelligt davon, obwohl es im Film von «F-Wörtern» hagelt wie von Kugeln.

Die Tabuisierung, so viel wird aus den Studien klar, stärkt nicht nur die Bedeutung dieser Wörter, sondern weckt auch die Lust an deren Gebrauch. Fairman plädiert deshalb dafür, mit der Zensur Schluss zu machen.

Christopher Fairmans Studie «Fuck» kann als PDF-Datei kostenlos heruntergeladen werden bei: papers.ssrn.com . Falls nicht mehr zu finden, hier.

[Peter Hafner, Los Angeles, Tagesanzeiger 2006-10-10]

Siehe auch: Die Geschichte eines umstrittenen Kinderbuches, Teil 1 und Teil 2, sowie 10 Kleine Negerlein – Politisch korrekte Verdummung, oder Ein Kinderlied und seine tödlichen Folgen und Wikipedia.

 

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 URL:  Created: 2006-03-01  Updated:
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