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Die Lehrerin verschwindet

Irène Troxler

Neulich an einem Elternabend in der Volksschule: Die Lehrerin der Tochter stellt eine Kollegin vor. Zum Erstaunen vieler Eltern präsentiert sie die Frau, die neben ihr steht, nicht etwa als neue Lehrerin, sondern als «Lehrperson». Nun sind wir ja einigermassen abgehärtet, was Gender-korrekte Sprache angeht. Der erhobene Zeigefinger des Binnen-I erschreckt uns nicht, und auch das mit Schrägstrichen abgetrennte «/innen» überlesen wir ohne Murren. Dass irgendeine Frau deswegen einen besseren Lohn erhält oder weniger belästigt wird, glauben wir zwar nicht, aber solange manchen Menschen die Verkomplizierung der Sprache moralischen Auftrieb gibt, akzeptieren wir solche kleinen Verunstaltungen im Schriftbild.

Neu ist uns aber, dass eine Lehrerin, die freundlich lächelnd vor uns steht, von ihrer Weiblichkeit befreit werden muss. Ist eine abstrakte Wortschöpfung schmeichelhafter? Kommen die Qualitäten der Lehrerin besser zur Geltung, wenn ihr Geschlecht sprachlich vernebelt wird? Wohl kaum. Vor dem inneren Auge steigt unwillkürlich eine strenge Nonne auf, die den Kindern auf die Finger schlägt, wenn sie nicht aufpassen. Und für Fälle, in denen man unbedingt einen geschlechtsneutralen Begriff benötigt, damit sich Lehrer und Lehrerinnen mitgemeint fühlen, hätte der Duden ein vollwertiges Wort parat. Es lautet «Lehrkraft».

«Lehrperson» hingegen existiert nicht. Diese Konstruktion muss sich eine missionarisch veranlagte Pädagogin ausgedacht haben. Die Wortschöpfung hat allerdings schon eine steile Karriere hinter sich: Von der Pädagogischen Hochschule Zürich beispielsweise hat sie die Lehrerinnen und Lehrer bereits verdrängt. Nur die Schülerinnen und Schüler haben dort noch ein Geschlecht. Aber wie lange noch? Als «Schreibperson» schlage ich vor: «Nennen wir sie doch ‹Lernpersonen›». Was meinen Sie dazu, liebe «Leseperson»?

Leserbrief [2018-02-05]

Ich habe in einer Zeit Schule gegeben, als Lehrer noch als Lehrer benannt wurden. In dieser Berufsbezeichnung waren sowohl Lehrerinnen wie Lehrer eingeschlossen. Wie klar und einfach! Mit der beamtendeutschen, notabene hässlichen Bezeichnung «Lehrperson» ist nicht nur das Ansehen dieses Berufes gesunken, sondern in Tat und Wahrheit auch dessen Kompetenzen. Die despektierliche Berufsbezeichnung hat die Bildungsdirektion auch bewusst zum Stillstand in der Lohnstruktur der Lehrerinnen und Lehrer benutzt. Eine «Person» gibt es wie Sand am Meer. Erstaunlich, dass Lehrerinnen und Lehrer sich in ihrem Stolz nicht angegriffen fühlen, sie lassen das alles einfach über sich ergehen und nehmen zur Kenntnis, dass irgendeine «Beamtenperson» der Bildungsdirektion ihre Berufsbezeichnung mindert.

Den Ausdruck «Lehrperson» findet sich nicht einmal im Duden! Hat man jemals einen Rechtsanwalt, eine Rechtsanwältin als «Anwaltsperson» betitelt, einen Banker als «Bankperson» oder einen Arzt, eine Ärztin als «Arztperson»? «Pfarrperson» tönt ja auch sehr ehrenhaft, aber ganz lächerlich wäre sicher die Bezeichnung «Pilotperson», in deren Flugzeug wir sicher nicht einsteigen wollen. Berufung ist das Zauberwort, und diesen Zauber hat eben nicht jede «Person» in sich. Irène Troxler hat im Apropos (NZZ 31. 1. 18) den Nagel auf den Kopf getroffen, die einfache, klare und richtige Berufsbezeichnung ohne nichtssagendes Anhängsel sagt auch etwas über die Qualität und den Stolz des Berufes aus.

Thomas Klemm, Waldstatt

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 URL:  Created: 2018-02-01  Updated:
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