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Die höhere Verblödung

Sind wir denn alle Kinder?

Rainer Pairs © NZZ 208-02-05

Manchmal fragt man sich: Geht's noch? Wie konnte es dahin kommen? Es gab einmal eine Zeit, da tanzten Paare zusammen, Schüler lernten Lesen, Schreiben und Rechnen, die Post und die Telefongesellschaft waren ehrwürdige Institutionen, ihre Bediensteten sogar Beamte. Und dann kam Rolf. Rolf war eine Werbefigur der Deutschen Bundespost, die Mitte der achtziger Jahre im westdeutschen Fernsehen auftauchte. Anders als das frühere HB-Männchen namens Bruno, das vom Alltag gestresst an die Decke ging, war Rolf ein postmoderner Kasper fürs damalige Jungvolk. Zielgruppe Kids.

Es war der Anfang und Auftakt der musikalischen Dauerberieselung per Kopfhörer, der SMS, der Telefonitis, der ständigen Präsenz in den Netzwerken. So spielen Handytarife, Klingeltöne (kotzendes Wildschwein) und Videospiele im Horizont der Masse der Jugendlichen eine ungeheure Rolle, die unsereinem verschlossen bleiben muss: Mein Smartphone ist mein Leben.

Die eingebildete Kompetenz

«Du willst es, du kriegst es», heisst es in einer erfolgreichen Werbung. Junge Erwachsene stagnieren auf dem Entwicklungsniveau von Fünfjährigen. Und viele Ältere, auch Ämter und Institutionen, ziehen nach. Keine Präsentation ohne Powerpoint, es gibt nichts, was nicht digitalisiert aufbereitet werden könnte. Nach dem Ausschalten meines Autoradios – ja, das gibt's noch – erscheint auf dem Display die Anzeige «Entertainment aus». Es ist so unpassend passend.

Mit dem Begriff der Infantilisierung der Gesellschaft ist dergleichen nur unzureichend erfasst. Denn von kindlicher Neugier, Staunen und Wissenwollen, sind diese Aktivitäten weit entfernt. Das Neue ist stets mit einem Touch verfügbar und nährt so die Illusion einer Kompetenz, die es in Wahrheit nicht gibt. Es ist ein Hantieren mit Spielzeugen, die einen glauben machen, dass man der Grösste sei. Hierin liegt ein Grundgesetz des Sozialen: Die Technik potenziert das Können, und das Können verändert das Brauchen. Und dies anscheinend so sehr, dass man sich oft schon nach kurzer Zeit nichts anderes mehr vorstellen kann.

Das kulturell-philosophische Pendant solcher Spielereien sind die Kapriolen der Postmoderne. Einfälle und Wortkaskaden, die irgendwie gebildet klingen, werden als Ideen oder gar Theorie ausgegeben. Eine Argumentations- und Redeweise, die kaum jemand versteht, aber denen, die sie beherrschen, mit einem Minimum an Wissen das Gefühl theoretischer Allmacht verleiht. Dabei läuft, wo der Einschüchterungsgestus versagt, Kritik an solchen Haltungen stets ins Leere. Klaus Laermann hat das Problem in einem früheren «Merkur»-Aufsatz einmal bündig formuliert: «Wie duelliert man sich mit einem Brei?»

Dummheit ohne Obergrenze

Ähnliches gilt für die aktuellen Konflikte in Gesellschaft und Politik. Wo es früher um das Erkämpfen elementarer Rechte, Bildungs- und Teilhabechancen ging, sind die Streitgegenstände heutiger Protestbewegungen Schreibweisen, Namensgebungen für Hochs und Tiefs in der Wetterkarte oder die Etikettierung öffentlicher Toiletten. Ja, nicht einmal derjenige, der brav Quotendeutsch redet, ist gegen den Vorwurf gefeit, er unterstelle die «Matrix der Zweigeschlechtlichkeit», diskriminiere also Minderheiten. Wie überträgt man das Gendersternchen in gesprochene Sprache?

Nein, solche Bescheuertheitsgrade kennen keine Obergrenze. Wer ihre flankierenden Behauptungen diskutiert, setzt damit ja voraus, sie seien diskutabel – und sitzt schon in der Falle. Er ist fortan genötigt, sich im Blödsinn zu verheddern. Gewiss muss die Frage, was diskutabel ist und was nicht, selbst stets diskutiert werden können. Es gibt aber eine ästhetische Grenze, wo man den Pipifax Pipifax sein lassen muss.

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 URL:  Created: 2018-02-06  Updated:
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